Der Grödner Josef Kostner wurde 1933 in St.Ulrich geboren. Er wuchs
in einer traditionsbewussten Familie auf, in der schon sein
Urgroßvater den Beruf des Bildhauers ausübte. Wenn man die sechs
Brüder und die zwei Söhne des Künstlers dazurechnet, setzt sich die
Tradition der Bildhauerei über fünf Generationen fort. Schon seit
früher Kindheit träumt Kostner davon ein guter Schnitzer zu werden
und gestaltet mit neun Jahren seine erste Krippe. Obwohl er nach der
Pflichtschule gerne die Kunstschule und anschließend die Akademie
besucht hätte, muss er in der väterlichen Werkstatt arbeiten und die
kinderreiche Ursprungsfamilie unterstützen. Der sensible Junge wird
in diesen Zeit durch die konservative und auch misstrauische
Atmosphäre der Nachkriegsjahre geprägt, die in der grödnerischen
Gesellschaft zu spüren war. Psychologische Wunden entstehen, die
später in seinen figurativen Werken und Schriften verarbeitet werden.
Einst arbeitete man im Kunsthandwerk fast ausschließlich auf
Bestellung. Altäre und religiöse Figuren wurden für das In- und
Ausland produziert. Da der Verkauf der Holzfiguren von Händlern
geführt wurde, die den Kontakt zu Priestern und kirchlichen Kreisen
herstellten, weiß man heute nicht mehr in welchen Kirchen Kostners
sakrale Werke stehen.
Dennoch, trotz all der Arbeit wollte Kostner seine eigene
Kreativität ausleben. Die dazu benötigte Zeit musste er aufgrund der
intensiven Beschäftigung im elterlichen Betrieb in seiner Freizeit
aufbringen. Er erzählt: „Damals wurde die ganze Woche über
gearbeitet, von morgens bis abends. Nur die Sonntage und die Zeit
nach Feierabend standen zu meiner freien Verfügung. Diese knappe
Zeit nützte ich für die Weiterbildung, indem ich bis spät in die
Nacht zeichnete und modellierte. Immer häufiger nutzte ich dabei den
Ton. Holz erinnerte mich zu sehr an meine Arbeit, bei der ich immer
die Wünsche und Vorstellungen anderer verwirklichen musste und sich
keine Raum für eine eigene Entfaltung und Interpretation bot.
Kostner verbrachte die Jahre in der Werkstatt hin zerrissen zwischen
seinen Broterwerb und dem persönlichen Studium. Obwohl ihn häufig
Resignation und Hoffnungslosigkeit befielen, gab er nicht auf. Er
träumte davon ein freier Künstler zu werden. In verschiedenen
Ausstellungen zeigte er seine Werke und gewann auch Preise. Erst
17jährig stellte er im Kreis für Kunst und Kultur in St.Ulrich aus.
Dieser kulturellen Vereinigung fühlte er sich sehr verbunden, bis er
Jahre später gemeinsam mit einigen Freunden die Künstlergruppe
„Ruschel“ gründete und mit der althergebrachten Tradition brach.
Eine regelrechte Befreiung war für Kostner endlich die Einladung an
die Kunstschule von Wolkenstein. Der damalige Direktor beauftragte
ihn ab 1960 Skulptur zu unterrichten. Völlig neue ästhetische
Gestaltungsmöglichkeiten boten sich an, angespornt durch die
Spontaneität und Ehrlichkeit seiner Schüler.
Die Erfahrungen im Unterricht hatten einen Einfluss auf Stil und
Technik. Kostner setzt einen neuen Anfang, er studiert und
beobachtet den menschlichen Körper, Knochen, Tiere, vegetative
Formen der Wurzeln und Pflanzen sowie Steine und Berge. Diese
intensiven Studien werden zum Grundstock seiner Arbeiten,
beeinflusst durch unzählige Studienreisen durch ganz Europa. Er
besuchte Museen und Ausstellungen, um seine Kenntnisse der
Kunstgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart auszubauen.
Um sich endgültig dem Einfluss der „Werkstatt“ zu entziehen und mit
der langen Tradition der Holzverarbeitung zu brechen, die für Gröden
ja so typisch ist, entscheidet sich der Künstler für die Materialien
Ton und Zement. Ton und Zement eignen sich auch besser , den eigenen
kreativen Vorstellungen eine Form zu geben.
Im Laufe der Jahre können demnach drei Schaffensperioden
unterschieden werden, in denen die Gestaltung der Materialien die
visuelle Vorstellung und Entwicklung des Künstlers wiederspiegelt.
In der ersten Schaffensperiode gilt die Aufmerksamkeit hauptsächlich
dem Studium der Natur und der Gestaltung der Formen. Es folgt eine
Phase, in der diese Formen vereinfacht und reduziert dargestellt
werden. Schließlich die intensive Auseinandersetzung mit dem
Hauptthema “Mensch“. Zu dieser Serie gehören fast all seine Werke.
Der Künstler Josef Kostner steckt voller Ideen, die er in einem
unerschöpflichen Tatendrang umzusetzen vermag. Dazu der Künstler:
„In all den Jahren habe ich Dutzende Figuren geschaffen, manchmal
fühle ich mich durch sie bedroht. Auf dem Dachboden, im Keller, im
Garten, in der Garage stoße ich auf vegetativen und abstrakten
Figuren der ersten Schaffensperiode, - Figuren, die mich nicht
loslassen. Dann die schreienden Köpfe und Hände – nach Beziehung
heischend und verzweifelt; gleich wie die stehenden, sitzenden und
liegenden Figuren der letzten Jahre.“
Der Bildhauer lässt sich gleichzeitig von der Plastizität der
Materialien und der eigenen Emotion inspirieren und leiten. Er
erschafft wuchtige Formen, die durch ihre Proportionen zum Leben
erwachen. Wollte man die Botschaft seiner Werke ergründen, könnte
man sie vielleicht wie folgt beschreiben: aufgeschreckte Figuren,
Abbildungen der Unsicherheit und Perplexität, so kennzeichnend für
unsere Zeit.
Unermüdlich und explosiv in der Skulptur, stürmisch in der Grafik.
Die dramatische Annäherung an die menschliche Figur zeigt sich
vielleicht noch eindeutiger in den Zeichnungen. Wie besessen
scheinen die linearen Linien und explosiven Darstellungen einer
jeden wohlwollenden Annäherung zu trotzen. In den 70er Jahren
entstanden die mit Tusche gezeichneten menschlichen Lebewesen, deren
Umrisse den Eindruck einer vibrierenden Masse vermitteln. In den
folgenden Jahren entwickelt Kostner seine Darstellungen: Die Figuren
sind noch aufgelöster, dargestellt mit wenigen Pinselstrichen in den
Farben Ocker, Rot und Blau.
„Meine Bilder entstehen spontan“, -erklärt Josef Kostner. Meistens
habe ich nur ein weißes Blatt vor mir liegen, dann beginne ich zu
zeichnen. In meinem Kopf schwirren tausend Gedanken. Bereits mit
15-16 Jahren hatte ich diese Visionen. Ich muss mich nur hinsetzen,
schon ergreifen konkrete Bilder Besitz von mir. Wenn ich spaziere
oder in den Bergen wandere halte ich immer Ausschau nach etwas, das
mich inspirieren könnte. Ich beobachte einen Menschen, einen Kopf
oder hebe einen Stein und schon erscheint eine ausgereifte Figur vor
meinen Augen. Auch Wurzeln, ein morscher Gegenstand oder ein Blatt
regen meine Phantasie an, die Eindrücke verarbeite ich dann zuhause
auf Papier. Da ich in meinem Kopf eine menschliche Figur sehe,
treibt es mich dazu solche Gestalten darzustellen. Bei meinen
früheren Arbeiten ließ ich mich, wie man auch sieht, besonders durch
Wurzeln und Berge inspirieren“.
Das anhaltende Interesse für Geschichte und Literatur verdankt Josef
Kostner vielleicht seiner Mutter und deren Bibliothek, die sie im
Haus hatte. Schon als Kind liest er viel, er schreibt Gedichte und
hält in Heften Beobachtungen fest. Aus dieser Sammlung entsteht 2007
seine Gedichtsammlung „Cun lizënza“ (Sie erlauben).
In seinen lyrischen Werken verarbeitet er Kindheitseindrücke, durch
die Kriegszeit geprägt, Erlebnisse und Empfindungen einer sich durch
den Wirtschaftsaufschwung verändernden Gesellschaft. Er hält uns
einen Spiegel vor, in seinen Gedichten zeigt er unbarmherzig
Missstände auf und kritisiert die Selbstgefälligkeit der
Gesellschaft. Es sind einfache Verse, manchmal in Reim gesetzt, von
einer bestechenden Einfachheit und dennoch einschneidender Ironie-
Ausdruck eines genialen Denkens. Seine Gedichte sprechen von
Hypokrisie, von der Dummheit der Mächtigen und Kurzsichtigkeit der
Geschäftsleute, Opportunismus und Heuchelei. Auch der Verfall der
Muttersprache wird auf melancholische Weise beschrieben. Ein
Identitätsverlust, der durch die Abflachung der ladinischen Sprache
unaufhaltsam voranschreitet.
2010 erscheint das Band mit Sammlungen verschiedener Erzählungen und
Anekdoten „Zacan cuntovi“ (Einst wurde erzählt). Geduldig hatte
Josef Kostner unzählige Erzählungen notiert, die er bei Besuchen in
zahlreichen Häusern des Grödnertales gehört hatte. Er war tief mit
der lokalen Geschichte verwurzelt und suchte stets nach noch
vorhandenen Spuren einer einst bäuerlichen Welt. In diesem Buch wird
an die mündliche Erzählweise angeknüpft- ein Dokument, das nicht nur
geschichtliche Ereignisse und Personen in Erinnerung behalten will
sondern auch die ureigene Ausdrucksweise der ladinischen Sprache
wiedergibt. Wie in seinen lyrischen Werken so sucht Kostner auch
hier zuerst den Inhalt, die „Wahrheit des Lebens“. Erst anschließend
gibt er ihr die „Form“.
Eine weitere großartige Arbeit ist seine Sammlung alter Begriffe der
Toponomastik, Namen von Fluren und Hofnamen. Eine Liebeserklärung an
seine Heimat, die Josef Kostner mit einem Anflug an Bitterkeit
beschreibt: „ Ich war viele Tage auf Almen und Schweigen unterwegs,
um die letzten Hirten zu befragen. Es hat mich immer zutiefst
bedrückt, wie unsere größten Werte-unser Heimatboden und unsere alte
Kultur -zerstört und der Habgier geopfert werden.“